Große Aufregung herrschte bei den Onlos im Wald von Anatubien. Nicht ohne Grund, denn letzte Nacht hatte sich einer der Wächter des Vulkans in die Waldheimat der Onlos vorgewagt. Niemand wagte es sich ihm entgegen zu stellen. So schritt er ungehindert vor den Häuptling des Dorfes, welches dem Waldrand und somit auch dem Vulkan am nächsten war. Eine Weile blickten sich beide stumm an. Sie schienen ein stummes Zwiegespräch zu führen. Keiner der Umstehenden wagte auch nur laut zu Atmen. Nachdem eine gefühlte unendlichkeit vergangen war, eröffnete der Häuptling schließlich das Wort indem er sagte: "Ich grüße euch, ehrenwerter Wächter. Was führt dich hier her? Noch dazu zu so später Stunde?" Der Häuptling sprach mit fester, ruhiger Stimme. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die umstehenden Onlos fast schon ehrfurchtsvoll zu ihrem Anführer aufblickten. Ein junger Onlo geriet zu dicht an das Lagerfeuer, welches in der Mitte des Platzes brannte. Offenbar verbrannte er sich, denn kaum einen Herzschlag später sprang er jaulend auf. Beinahe hätte ich laut losgelacht. Meiner Meinung nach war die Furcht des Onlo-Anführers zu offensichtlich. Mit der rechten Hand klammerte er sich an sein Schwert. Fuhr sich ständig mit der Zunge über die Lippen. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. Angeekelt wandte ich den Blick ab und lauschte wieder ihrem Gespräch. "Wir haben ein Wesen gefunden von dem wir nicht wissen was es ist. Aber wir wissen, dass es nicht bei uns bleiben kann. Ihr werdet euch um sie kümmern.", mit diesen Worten kehrte der Wächter dem Onlo Häuptling den Rücken zu und lief eilig davon.Zu diesem Zeitpunkt erkannte ich warum ich mit sollte. Es war kein Besuch bei den Onlos wie mir der Wächter versichert hatte. Nein, er wollte mich bei ihnen loswerden. Der Häuptling machte Anstalten dem Wächter nachzulaufen. Dabei rannte er mich einfach um. Fluchend blieb er stehen um zu sehen was ihm da im Weg stand. Er starrte mich ganze 5 Minuten an. Da war er zu meinem erstaunen nicht der Einzige. Alle umstehenden blickten jetzt entsetzt auf mich. Plötzlich kam da eine Stimme aus der Menge, sie klang knarzig wie ein Baum:"Nun steht da nicht alle herum wie Steine! Dämliche Bauern! Macht mir Platz, na los aus dem Weg! Zurück in eure Häuser!" Gesprochen hatte ein alter Onlo, der sich mühevoll den Weg durch die Massen bahnte. Er winkte den Häuptling und mich zu einer großen, langen Hütte. Der Häuptling öffnete die Tür und schob sowohl mich als auch den Alten hinein. Stille umfing uns. Schweigend standen wir da. Schließlich war es wieder der Alte, der zuerst sprach:" Wir haben dich anfangs nicht gesehen. Der Wächter hat einen Tarnzauber über dich gesprochen. Deswegen waren wir auch so verwundert dich zusehen. Es ist Jahrtausende her, dass wir ein Wesen wie dich zum letzten mal gesehen haben. Moment mal, verstehst du mich überhaupt?".Stumm und den Tränen nahe nickte ich mit dem Kopf. Der Wächter hatte mich ein Jahr zuvor die Sprache der Onlos gelehrt.Der Alte lächelte zufrieden. In seinen Augen jedoch las ich pure Gier. "Nun, du wirst dich sicher fragen, warum du hier bist. Was jetzt mit dir geschieht und noch vieles mehr. Aber all diese Fragen müssen warten. Du wirst uns jetzt genau zuhören. Außerdem wirst du jede unserer Fragen mit der Wahrheit beantworten. Wir merken es wenn du lügst, da kannst du dir sicher sein. Sollstest du uns dennoch anlügen, wirst du dir hinterher wünschen es nie getan zu haben. Verstanden?!", der Alte schrie mich fast an. Ich hatte nichts anderes erwartet. Die Wächter, welche mich unterrichteten erklärten mir genau was die Onlos von Menschen wie mir hielten. Doch warum hatte der Alte gesagt er hätte ein Wesen wie mich schon seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen? Laut dem Wächter führten die Onlos mit den Menschen bis vor kurzen Krieg. Alles stimmte nicht überein. Nachdem ich meine Zweifel niedergekämpft hatte, wandte ich mich wieder dem Alten zu und nickte noch einmal. Dieser setzte sich auf einen Stuhl. Er bedeutete mir, mich vor ihm auf den Boden zu setzen. Etwas verwundert ließ ich mich auf dem harten, kalten Stein nieder. "Zuerst sagst du uns wer du bist.", waren die Worten des Alten. "Lijema", antwortete ich leise. Er blickte mich kurz mit noch gerunzelterer Stirn als sonst an. " Du weißt nicht wo du her kommst?" Kurz zuckte ich zusammen, er konnte offenbar Gedanken lesen. "Nein", antwortete ich ihm. Seine Miene verfinsterte sich. Mir schien fast, als wollte er mich schlagen. Obwohl ich keine Ahnung hatte warum. "Du weißt nichts über die Wächter, nichts über die Welt, nichts über die Völker die auf ihr leben. Absolut nichts. Es sieht so aus, als ob die Wächter dein Gedächtnis gelöscht haben." Er erhob sich. Die ganze Zeit, sprach der Häuptling kein Wort. Er zog einen Vorhang, am ende des Langhauses zurück. Für einen kleinen Moment erblickte ich ein sehr großes Bett. Der Häuptling verschwand hinter dem Vorhang und zog ihn wieder zu. Der Alte musterte mich mit gerunzelter Stirn. Da er mich nicht direkt ansah vermutete ich, dass er nicht im Moment nicht mehr mit mir sprechen wollte. Ich sah mich im Zimmer um. Es war eigentlich ein schöner Raum. Viele hätten den Häuptling darum beneidet und gewiss gab es auch unter seinen eigenen Gefolgsleuten einige Neider. Der lange Tisch war aus einem dunklen Holz gefertigt. Kunstvolle Muster waren sowohl in die Seiten des Tisches, als auch der Stühle geschnitzt. Auf dem Tisch stand nichts. Die Wände waren mit teuren Stoffen und Fahnen behängt. Erleuchtet wurde der Raum von Öllampen, welche etwas unbeholfen im Zimmer verteilt standen. Vier Türen führten nebeneinander aus dem Raum. Auch diese waren mit Inschriften, Runen und Mustern verziert. Ich musste schmunzeln. Der Wächter hatte mir erklärt, die Onlos würden kaum Magie beherrschen. Der Alte sprach plötzlich und ohne Vorwarnung so laut, dass ich zusammenzuckte:" Lijema, du legst dich jetzt hin und schläfst. Morgen werden wir mit deinem Unterricht beginnen." Er erhob sich. Ich blickte ihn verwundert an. "Worauf wartest du noch?", schnauzte er mich an."Ihr habt mich nicht gesagt wo ich mich hinlegen soll." Er verdrehte die Augen und fragte:" Wo sitzt du gerade?" "Auf dem Boden", war meine Antwort. "Genau da wirst du auch schlafen!", rief er lachend. Fassungslos starrte ich ihn an. Er verließ das Zimmer durch die Tür, durch die wir vorhin hereingekommen waren. Doch meinte ich, noch ein gehässiges Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen. Der Alte war mir im Lauf des Abends immer unsympathischer geworden. Mehr noch. Jedes Wort steigerte meine Abscheu vor ihm. Schweigend legte ich mich in die hinterste Ecke des Zimmers, neben dem Vorhang des Häuptlingts.
Ich hatte doch tatsächlich geglaubt, es würde nicht schlimmer kommen.
Nachdem ich fast eingeschlafen war, wachte ich doch noch einmal auf. Über mir stand grinsend der Häuptling." Du kannst auch gerne in meinem Bett schlafen wenn du willst..",sprach er, während ich mich schlafend stellte. Am liebsten wäre ich weggelaufen. Doch hatte ich keine Ahnung wo hin. Zu meiner Freude hörte ich ihn wieder in sein Bett steigen. Erneut schlief ich ein. Fiel in Träume mit hellen Lichtwesen....
Am nächsten Morgen gab mir der Alte eine klägliche Mahlzeit. Doch ich wurde satt davon. Wieso wusste ich auch nicht. Während ich aß verkündete er mir, dass er Lehrer für mich beschafft hätte, die mich in allen möglichen Sprachen unterrichten würden.
So geschah es dann auch. Sie brachten mir die Sprache der Menschen, Taruner und Onlo bei bis ich sie perfekt beherrschte. Außerdem unterrichteten sie mich grob im Kampf, Nähen, Kochen, Verletzungen behandeln, Überleben in der Wildnis und Mathematik. Das ganze dauerte Fünf Jahre. Mittlerweile war ich in Menschenjahren gezählt, Fünfzehn Jahre alt.
Früh, an einem besonders regnerischen Morgen, genau genommen so früh, dass ich noch schlief, kam der Häuptling ins Zimmer. Besser gesagt er schlug die Tür ein. Von dem lautem Geräusch wurde ich brutal aus meinen Träumen gerissen. Kerzengerade auf meiner Matraze sitzend schaute ich mich verwirrt um. Er stapfte für einen Onlo ungewöhnlich schnell auf mich zu. Da ich mir jedoch keiner Schuld bewusst war und deßhalb auch keine Strafe erwartete blieb ich ruhig sitzen. Was vielleicht ein Fehler war. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, packte er mich an meinem ohnehin schon arg angerissenem Nachtgewand und zog mich auf die Beine. "DU DRECKIGE KLEINE SPIONIN", schrie er, wobei er mich mit mächtig viel Spucke besprühte.